Ansprache von Christoph Simonsen zum 2. Sonntag nach Weihnachten - Lesejahr C

Datum:
So. 2. Jan. 2022
Von:
Ursula Fabry-Roelofsen

2. Sonntag nach Weihnachten – Lesejahr C

Evangelium:

Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott. Dieses war im Anfang bei Gott. Alles ist durch das Wort geworden und ohne es wurde nichts, was geworden ist. In ihm war Leben und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht leuchtet in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht erfasst. Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt. Er war in der Welt und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf. Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind. Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit geschaut, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit.

 

Ansprache:

Das dürfte uns allen vertraut sein, dass Worte gut tun können: ein zärtlich zugesprochenes Wort vermag die Seele zu streicheln, dass einem warm wird. Und genau so können Worte auch ein Herz blutend machen; Worte können verletzen und leiden machen. Worte können aussondern und bloßstellen. Jedes Wort, das unseren Mund verlässt, hat zuvor unser Denken und unser Fühlen durchwandert. Und auf diesem Weg von Kopf oder Herz zum Mund erwächst aus dem Wort ein Klang, betörend oder zerstörend, umfangend oder verstoßend. Worte sind mehr als Aneinanderreihungen von Vokalen und Konsonanten. Worte haben eine schöpferische Kraft. Worte haben Gewicht; sie können aufrichten oder auch niederschmettern. Wie auch immer: Worte schaffen etwas: sie schaffen Leben oder sie schaffen Tod, wenn wir es ganz extrem betrachten.

 

Nun hören wir heute, dass Gott selbst das schöpferische Wort schlechthin ist. Wenn nun Worte per se in sich Veränderung verkörpern, und zwar aus beiden Perspektiven, nämlich aus der Perspektive dessen, wovon das Wort ausgeht als auch aus der Perspektive dessen, wohin das Wort zielt, dann ist wohl eine Schlussfolgerung des heutigen Evangeliums, dass auch Gott sich verändert. Gott ist in sich und aus sich heraus eine bewegende Kraft. Gott ist keine statische Wirklichkeit, die immer die gleiche bliebe. Auch Gott ist Veränderungen unterworfen, oder besser formuliert: Gott ist so frei, sich Veränderungen auszusetzen. Gott ist eben kein Monolith, keine in Stein gemeißelte Wahrheit, Gott ist Fleisch und Blut. Deshalb bedarf sein Wort einer immer wieder neu reflektierenden Auseinandersetzung und Ortung in die jeweilige Zeit.

 

Das Wort, das in ihm seinen Anfang hatte wie auch die vielen Worte, die zu ihm zurückkehren, sie bewegen und sie verändern Gott und sie verändern den Menschen. Liebe, Leiden, Macht und Ohnmacht, Wärme und Kälte, all das bewegt und verändert: Gott und den Menschen. In aller Vollkommenheit, die uns Menschen denken lassen könnte, Gott sei fertig und unwandelbar, ist in ihm Raum und Offenheit, sich treffen zu lassen. Was aus ihm herausströmt, Geist und Leben, und was zu ihm zurückkehrt, menschliches und Unvollkommenes, all das bewegt ihn und verändert ihn.  In den vielen Erzählungen des Ersten Bundes wird dies immer wieder deutlich, wie sehr Gott Anteil nimmt an seinem Volk, wie er leidet und wie er sich freut, wie sich auch in ihm ein leidenschaftlicher innerer Kampf vollzieht und wie doch die Liebe in ihm immer siegt und er zu bewahren und zu beschützen entschlossen ist, was er selbst geschaffen hat. In diesem Gott, der sich dem Menschsein unterwirft, ist vielfältiges, spannungsreiches Leben.

 

Diese Wahrheit Gottes mag uns Menschen davor bewahren, Gott auf einen Sockel stellen zu wollen und ihn wie einen Götzen zu verehren. Dieser Mensch gewordene Gott ist vernarrt darin, an allem Menschlichen Anteil zu nehmen. Dieser Gott will mit uns in dieser Welt leben. Und wer immer diesen Gott in Kirchen oder Tempel einsperrt, der nimmt ihm, was ihm einzig heilig ist: Diese unsere Welt.

"Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt". Hier und jetzt, an diesem dunklen Abend, an dem wir ihm zu Ehren zusammenkommen, aber genauso, wenn wir uns heute Nacht der Dunkelheit und der Ungewissheit eines neuen Morgens ergeben oder auch wenn wir unbeschwert den Tag ausklingen lassen bei einem Glas Wein oder Bier: egal, was geschehen wird, immer und überall will dieser Gott unter uns wohnen und mit uns leben. Das mag uns ganz offen und unbeschwert auch in das Neue Jahr 2022 hineingehen lassen.