Auch in Zukunft wird Deutschland viele Menschen aufnehmen, die aus unterschiedlichen Gründen aus ihrer Heimat fliehen müssen. Was ist aus Ihrer Sicht besonders wichtig für eine gute Flüchtlingspolitik und wie werden Sie sich für eine verbesserte Situation aller geflüchteten Menschen in unserer Region einsetzen?
Eine gute Flüchtlingspolitik ist für mich, wenn Anträge zügig bearbeitet und bei Anerkennung des Flüchtlingsstatus die engsten Familienmitglieder (Ehepartner, minderjährige Kinder) unkompliziert und zügig Einreise nach Deutschland gewährt bekommen.
Wichtig ist für mich, dass Sprach- und Integrationskurse erfolgreich abgeschlossen werden können. Dafür müssen Angebote besser auf einzelne Personengruppen zugeschnitten werden; dabei habe ich insbesondere die Mehrfachbelastung von Frauen im Blick –Familie/Kinder und Sprachkurs.
Ein weiterer Punkt ist die zügige Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen. Hier brauchen wir neben Anerkennung/Teilanerkennung ein übersichtliches Fort-/Weiterbildungsangebot, um fehlende Qualifikationen passgenau erlangen zu können.
Nordrhein-Westfalen ist ein Bundesland mit einer langen und vielfach erfolgreichen Migrationsgeschichte. Was wollen Sie tun, damit das Zusammenleben in der Städteregion auch in Zukunft gelingt?
Das Zusammenleben gelingt am besten durch Gemeinsamkeiten, durch das Gefühl des Zusammengehörens; wenn das gelingt, kann eine Gesellschaft im einzelnen so verschieden, so individuell wie möglich sein. Diversity ist das Ziel: Die gegenseitige Wertschätzung und Anerkennung verschieden zu sein, mit der Gemeinsamkeit in dieser Gesellschaft zu leben – nicht in einer Parallelgesellschaft.
Das war die Theorie, die praktische Umsetzung heißt für mich: Die Teilhabemöglichkeit verbessern und die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum in allen Stadtteilen, um einander täglich zu begegnen und um soziale Brennpunktviertel nicht entstehen zu lassen.
Der Krieg in der Ukraine zeigt erneut, welche verhängnisvollen Auswirkungen die Umdeutung von Geschichte haben kann. Auch in der Städteregion müssen wir uns immer wieder mit rechtsextremistischen Narrativen, Geschichtsklitterung und Leugnung des Holocausts wie zuletzt bei den Querdenker:innen-Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen auseinandersetzen. Wie wollen Sie zukünftig auf Umdeutungen der deutschen Geschichte durch nationalistische Gruppen reagieren? Was kann eine Initiative wie der Aachener Appell hierbei bewirken?
Die rechtsextremistische Ideologie, Verleugnung des Holocausts und Verschwörungstheorien wird es immer geben. Das Ziel muss sein, die Anhängerschaft solcher Botschaften bedeutungslos klein zu halten. Dieses Ziel werde ich konsequent verfolgen, indem ich mich stetig dafür einsetzen werde, die Gräueltaten des Nationalsozialismus präsent zu halten; eine wichtige Aufgabe, da letzte Zeitzeug*innen uns mit und mit verlassen
Ich denke, die Initiative "Aachener Appell" kann durch die Unterstützung von Gedenkveranstaltungen und der Verbreitung von Internetdokumentationen zum Thema Nationalsozialismus eine wichtige Funktion übernehmen und dazu beitragen, dass nachfolgende Generationen aus diesem Teil unserer Geschichte etwas für die Gegenwart und Zukunft lernt und das "Nichtvergessen" zu ihrer Aufgabe macht.
Junge Menschen sind in besonderer Weise Ziel nationalistischer Propaganda, vor allem, wenn ihre Teilhabemöglichkeiten am gesellschaftlichen Leben eingeschränkt sind. Wie kann die Situation benachteiligter junger Menschen grundlegend verbessert werden und was werden Sie konkret dazu beitragen?
Die Verbesserung der Teilhabe junger Menschen lässt sich im Klassenverband, in Jugendeinrichtungen und über Sportvereine gezielt finanziell fördern; da werde ich genau hinschauen, ob die finanziellen Mittel ein attraktives Angebot gewährleisten.
Unter Teilhabe verstehen Jugendliche aber immer mehr die digitale Welt – ob Soziale Medien, Streaming oder Gaming; und die Pandemie hat dieser Entwicklung einen weiteren Schub gegeben. Über diesen Teil der "Teilhabe" müssen wir mehr wissen, auch, ob die nationalistische Szene dort nach Jugendlichen fischt, z.B. unter dem Deckmantel von Game-Angeboten. Dafür werde ich mich einsetzen.
Die repräsentative Demokratie wird immer mehr infrage gestellt. Was unternehmen Sie, um jungen Menschen Partizipation zu ermöglichen und sie für Demokratie zu begeistern? Welche Strukturen und Maßnahmen können aus Ihrer Sicht Solidarität, Toleranz und Gerechtigkeit fördern und rassistischen und fremdenfeindlichen Tendenzen den Boden entziehen?
In Stolberg gibt es schon ein Jugendparlament; ich möchte, dass Jugendparlamente eine Art Äquivalent zu Seniorenbeiräten der Städte und Gemeinden werden.
Ich weiß aber auch, dass viele Jugendliche Themen- bzw. Projektarbeit bevorzugen, deshalb werde ich mich dafür einsetzen, dass bei Zukunftsthemen, wie z.B. Umwelt, Jugendvertretungen in den entsprechenden NRW-Landtagsausschüssen gehört werden müssen.
Des Weiteren ist es mir wichtig, dass Jugendliche zueinander finden, sich kennen und schätzen lernen, deshalb werde ich mich für Jugendprojekte einsetzen, die das Selbstwertgefühl der Projektteilnehmer*innen steigert und die Erfahrung vermittelt, dass ein "gutes" Team aus Personen mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Eigenschaften besteht, unabhängig von Geschlecht, Alter, Herkunft und Aussehen.