Astrid Vogelheim, Henning Nießen, Phillip Noack und Laura Postma

Die Grünen | BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Die Grünen (c) Die Grünen
Die Grünen
Datum:
Mo. 2. Mai 2022
Von:
Kirche gegen Rechts

Auch in Zukunft wird Deutschland viele Menschen aufnehmen, die aus unterschiedlichen Gründen aus ihrer Heimat fliehen müssen. Was ist aus Ihrer Sicht besonders wichtig für eine gute Flüchtlingspolitik und wie werden Sie sich für eine verbesserte Situation aller geflüchteten Menschen in unserer Region einsetzen?

NRW ist das Bundesland in Deutschland, das sehr viel Erfahrung hat mit Integrationsarbeit von Menschen verschiedener Kulturen und Migrationsprozessen.

Unsere Wirklichkeit, auch die Vorausschau in die Zukunft zeigen deutlich, dass Flüchtlingsarbeit und Migration in unserer Gesellschaft ein Fakt geworden sind. Politische Arbeit bedeutet für uns immer für eine solidarische und offene Gesellschaft einzustehen und Geflüchtete und zugewanderte Menschen bestmöglich zu unterstützen. 

Die Integrationsagentur NRW „Werkstatt der Kulturen“ des Diakonischen Werkes zum Beispiel begleitet seit über 20 Jahren in Aachen Geflüchtete, Asylbewerber*innen und Migrant*innen. Sie hat in dieser Zeit viel Expertise erarbeitet und passende Angebotsformate entwickelt, die inhaltlich, strukturell und personell genau die Bedarfe bedienen, die tatsächlich für das Klientel hilfreich sind. Und trotzdem beklagen die Verantwortlichen mangelndes Vertrauen und eine eher behindernde kontrollierende Verwaltungshaltung seitens des Landes.

Wir setzen uns deshalb dafür ein, dass bewährte Einrichtungen der Flüchtlings- und Integrationsarbeit auf Landesebene so angebunden werden, dass das laufende Geschäft sowohl einsehbar als auch flüssig ablaufen kann.  

  • Wir wollen die Restmittelfinanzierung erhöhen, damit sich nicht nur vermögende Träger diese Arbeit leisten können.
  • Wir wollen, dass die Integrationsagenturen NRW über ein mehrjähriges, angelegtes Budget verfügen, das spontane Hilfeleistung, die Vernetzung und Digitalisierung der Arbeit ermöglicht. 
  • Die Verwaltungsarbeit der Integrationsagentur sollte einsehbar sowie einfach sein, und nicht jedes Jahr neue Abrechnungsformalitäten erstellen.
  • Verwaltungsprozesse sollten beschleunigt werden. Dabei hilft neben dem Einsatz von Lehrenden und Pädagog*innen die Anstellung von Fachkräften, die die digitale Vernetzung pflegen. 

Nordrhein-Westfalen ist ein Bundesland mit einer langen und vielfach erfolgreichen Migrationsgeschichte. Was wollen Sie tun, damit das Zusammenleben in der Städteregion auch in Zukunft gelingt?

Die Euregio, also die Grenzregionen Aachen / Belgien / Niederlande sind seit vielen Jahrzehnten miteinander verbunden. Hier wird Europa gelebt, die Menschen sind offen für andere Kulturen. Das tolerante und solidarische Miteinander ist Teil des täglichen Lebens. 

In den letzten Jahren hat Aachen selbstverständlich geflüchtete Menschen aus vielen Krisengebieten der Welt aufgenommen und integriert, die vor Krieg, Gewalt und Verfolgung Zuflucht suchten. Wir stellen fest, dass es eine große Bereitschaft in der Bevölkerung gibt, sich solidarisch zu zeigen und zu helfen. 

Damit Integration auch in Zukunft gelingt, setzen wir uns ein für: 

  • Eine gute Kommunikation der Behörden und die Bereitschaft von allen Seiten, sich auf Veränderungen einzulassen.
  • Eine verlässliche finanzielle Unterstützung.
  • Projekte und Initiativen zu stärken, die Integrationsarbeit als Zugewinn für ein erfolgreiches multikulturelles Zusammenleben in der Zukunft sichtbar machen. Ein Beispiel ist der „Tag der Integration“, den wir seit vielen Jahren gemeinsam mit vielen tausend Besucher*innen feiern.  Hier wird der Reichtum der vielen Kulturen deutlich, die unser Leben in der Region so vielfältig machen.

Der Krieg in der Ukraine zeigt erneut, welche verhängnisvollen Auswirkungen die Umdeutung von Geschichte haben kann. Auch in der Städteregion müssen wir uns immer wieder mit rechtsextremistischen Narrativen, Geschichtsklitterung und Leugnung des Holocausts wie zuletzt bei den Querdenker:innen-Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen auseinandersetzen. Wie wollen Sie zukünftig auf Umdeutungen der deutschen Geschichte durch nationalistische Gruppen reagieren? Was kann eine Initiative wie der Aachener Appell hierbei bewirken?

Wir wollen geschichtsrevisionistischen Tendenzen mit allen Mitteln, die uns der Rechtsstaat zur Verfügung stellt, konsequent begegnen.

  • Es bedarf einer stärkeren Verfolgung von strafbaren Inhalten und einer Pflicht zur Löschung von geschichtsrevisionistischen Falschinformationen in den sozialen Medien.
  • Neben rechtsstaatlichen Mitteln halten wir auch sicht- und hörbare Solidaritätsbekenntnisse für sehr wirkungsvoll, die den Menschen das Gefühl geben, nicht alleine zu sein. Nur gemeinsam können wir unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung gegen Rechts verteidigen.
  • Am Beispiel des Aachener Appels wollen wir die Bevölkerung ermutigen, sich gegen die laute Hetze in den Sozialen Netzwerken zur Wehr zu setzen und sich gegen antidemokratische, rechtsnationalistische Narrative zu positionieren.
  • Weitere wichtige Initiativen, die wir unterstützen und fördern sind Demokratie leben Aachen und der Runder Tisch gegen Rechts.

Junge Menschen sind in besonderer Weise Ziel nationalistischer Propaganda, vor allem, wenn ihre Teilhabemöglichkeiten am gesellschaftlichen Leben eingeschränkt sind. Wie kann die Situation benachteiligter junger Menschen grundlegend verbessert werden und was werden Sie konkret dazu beitragen?

Es kann nicht so bleiben, dass die Zukunfts- und Bildungschancen von jungen Menschen immer noch von der Förderung durch das Elternhaus abhängen. Daher wollen wir mehr für Bildungsgerechtigkeit tun.

  • Wir wollen die Kitas besonders fördern, die in Umfeldern liegen, in denen viele Familien erschwerte Startbedingungen haben. Daher setzen wir uns für den Ausbau der „plusKitas“ ein und insbesondere den verstärkten Einsatz von Fachkräften.
  • Zusätzlich werden wir die vom Bund zur Verfügung gestellten Schulbudgets für Schulen in benachteiligten Regionen und Quartieren nach sozialen Kriterien verteilen, damit sie vor allem dort ankommen, wo sie am dringendsten gebraucht werden.
  • Für Auszubildende und Studierende treten wir für eine gebührenfreie Ausbildung, kostenlose ÖPNV Tickets und bezahlbaren Wohnraum ein.

Wir müssen aber auch denjenigen helfen, die jetzt unsere Unterstützung brauchen. Junge Menschen, in ihrem Streben nach Autonomie, brauchen seriöse Angebote außerhalb des familiären und schulischen Umfeldes.

  • Dazu wollen wir die mobile Jugendarbeit fördern, wie es das Projekt JUMONOFEL
  • Zusätzlich wollen wir Jugendarbeit in ihren verschiedenen Formen und Jugendeinrichtungen in NRW ausbauen.
  • Wir wollen die Jugendberufshilfe stärken, die zwar vor allem die berufliche Entwicklung fördert, jedoch auch bei Wohnungs- und psychosozialen Problemen hilft.

Die repräsentative Demokratie wird immer mehr infrage gestellt. Was unternehmen Sie, um jungen Menschen Partizipation zu ermöglichen und sie für Demokratie zu begeistern? Welche Strukturen und Maßnahmen können aus Ihrer Sicht Solidarität, Toleranz und Gerechtigkeit fördern und rassistischen und fremdenfeindlichen Tendenzen den Boden entziehen?

Kinder und Jugendliche haben das Recht, über ihre Zukunft mitzuentscheiden und sie müssen es auch. Daher sollte Schule sich stärker den tatsächlichen Herausforderungen der jungen Leute stellen und politische Bildung betreiben:

  • Um die Beteiligung von jungen Menschen zu fördern wollen wir das Wahlalter auf 16 Jahre senken, denn nicht erst seit FridaysForFuture ist klar, dass sich junge Menschen für die Politik interessieren. Außerdem ermöglicht das Wahlrecht ab 16, Erstwähler*innen über das Schulsystem zu motivieren, damit sie ihr Wahlrecht kompetent zu nutzen lernen.
  • Wir wollen junge Menschen besser in die Gestaltung unserer Region einbeziehen und dafür zum Beispiel bereits vorhandene Beteiligungsinstrumente in der StädteRegion verstärken, wie Jugendbeiräte, Bezirksschüler*innenvertretungen und Jugendbeiräte in Vereinen.
  • Auf Landesebene werden wir die Kommunen noch intensiver dabei unterstützen, diese Angebote weiter auszubauen und die kommunalen Jugendparlamente zu stärken sowie Befragungen von Kindern und Jugendlichen durchzuführen, um ihre Belange vor Ort besser wahrzunehmen

Politische Bildung muss europa- und friedenspolitische Kompetenz fördern und globale Konfliktlagen, die auch Zuwanderungsbiografien prägen, berücksichtigen. Das wollen wir stärken und fördern, z.B.:

  • Viele Schulen aller Schulformen in Aachen sind bereits „Europaaschulen“ und Mitglied bei „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“, und uns ist wichtig, diese Strukturen nachhaltig zu fördern.
  • Wir wollen, dass rassismuskritische Inhalte in den Lehrplänen, Schulbüchern und Schulveranstaltungen und im Umgang mit den sozialen Medien verankert werden.
  • Wir wollen Programme für internationale Schüler*innen-Austausche, Erasmus, und Vernetzung in Partnerstädte auch auf Schul- und Vereinsebene weiter fördern. Und unsere Erinnerungskultur an den Holocaust lebendig erhalten, durch zb Besuche von Konzentrationslagern, und Stolpersteinen in Aachen.

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