Segen

Segen (c) Bild von s-ms_1989 auf Pixabay
Datum:
Fr. 29. Mai 2020
Von:
Pastoralreferent Dietmar Jordan

Im schweizerischen St. Gallen haben Seelsorger*innen den in den Bergregionen erhalten gebliebenen Brauch des abendlichen Alpsegens aufgegriffen und ihn angesichts der Corona–Krise aktualisiert. Sie sind auf einen der Kirchtürme gestiegen oder haben sich auf einen exponierten Landschaftspunkt gestellt und von dort auf die Stadt geblickt. Sie haben Glockengeläut, eine Geige oder auch ein Alphorn erklingen lassen und dann mit der Schallverstärkung eines traditionellen „Milchtrichters“ einen Segen ausgerufen oder gesungen. So ist der Segen zu einem hörbaren Hoffnungszeichen geworden, dass Gott auch mitten in all den Herausforderungen dieser Krisenzeit den Menschen nah und treu bleibt. Und ganz nebenbei wurde er auch zu einem medial durchaus wirksamen Hinweis, dass die Kirchen auch in Zeiten ausfallender öffentlicher Gottesdienste das Leben der Menschen begleiten und dabei (mitunter auf ungewohnte Weise) die Frohe Botschaft des Evangeliums ausrichten.

Mein Freund Georg Schmucki, als Priester des Bistums St. Gallen langjähriger Gemeinde- und Gefängnispfarrer, hat sich an der Ausrichtung dieses St. Galler Coronasegens beteiligt. Mit seinem Beitrag stellt er sich durchaus in die Tradition des Alpsegens, öffnet und transformiert ihn aber mit einem weiten Blick für Stadt, Land und Welt auf die besonderen Umstände der Pandemielage. Einmal mehr ist mir dabei deutlich geworden, dass das Evangelium zwar immer einen sehr konkreten personalen und lokalen Bezug hat, unseren Blick aber gleichzeitig in einer Art „Mystik der offenen Augen“ (J.B. Metz) entgrenzt und sozusagen „im Weltmaßstab“ weitet.

Georg spricht bei seinem Segensruf nicht einfach die traditionellen Worte des Alpsegens, die für einen anderen Kontext gedacht sind und dort auch stimmen. Er bleibt in der Form, greift aber in der Botschaft einen Gebetstext von Dorothee Sölle auf, der 2003 verstorbenen evangelischen Theologin und geistlichen Lyrikerin. Und auch den wandelt und aktualisiert er noch einmal im Blick auf die gegenwärtig von Corona geprägten Lebenserfahrungen. Für mich ist das ein schönes und sehr anregendes Beispiel, wie man kreativ und erwachsen, aber dennoch respektvoll mit dem Schatz gewachsener Bräuche und Traditionen umgehen und diese im Blick auf heute weiterentwickeln kann.

„Komm, heilige Geistkraft!“ – Der von Georg Schmucki gestaltete 4. St. Galler Coronasegen hat sehr pfingstliche Anklänge. Deshalb kann ich ihn als geistlichen Impuls zum bevorstehenden Pfingstfest wärmstens empfehlen. Sie können ihn sehen und hören, wenn Sie einen der angegebenen Links anklicken (siehe auch Videos unter dem Text):

https://www.youtube.com/watch?v=kbSPnoQh8_Q  (kurze Version)

https://www.youtube.com/watch?v=qbw9qBf6TzM&feature=youtu.be (lange Version mit Interview)

Für alle, die des schweizer - deutschen Dialektes nicht so mächtig sind, hier die Übersetzung des Gebets- und Segensrufes:

Behüte es, Gott, und erhalte es, Gott!
Komm, heilige Geistkraft, mach neu die Gestalt der Erde!
Versöhn uns mit der Luft, die wir verpesten.
Versöhn uns mit dem Wasser, das wir vergiften.
Versöhn uns mit dem Land, das wir immer mehr zubetonieren.

 Behüte Gott und erhalte Gott
alle Gesunden und Kranken,
alle Neugeborenen und alle Sterbenden!
Behüte Gott und erhalte Gott!

Komm, Atem Gottes,
hauch uns an,
damit wir mit allen Kreaturen lernen zu leben.
Mach uns immer mehr aus Siegern zu Geschwistern,
aus Benutzern zu Hütern und Hüterinnen,
aus Profitberechnenden zu Freunden der Erde.
Mach neu unser Herz,
unser Denken und Handeln
 – gerade jetzt in dieser Zeit!

Behüte Gott und erhalte Gott
alle rund um die Erde,
die ausgebeutet und unterdrückt werden.
Behüte Gott und erhalte Gott
alle, die leiden und hungern wegen des Klimawandels.
Behüte Gott und erhalte Gott
alle, die sich einsetzen für soziale Gerechtigkeit.

Komm, Du Hoffnung der Armen,
Du Richter der Mächtigen,
Du Rettung des Planeten Erde!

 Komm, Atem des Lebens,
lass uns von Dir trinken.
Lass uns in Deine Wohnung werden.
Und mach neu das Angesicht der Erde.

Behüte es, Gott, und erhalte es, Gott!
Amen.

Ich wünsche und erbete mir und Ihnen in diesem Sinne einen weiten Blick und ein offenes Herz. Möge Gottes Geistkraft uns wirklich berühren und bewegen!

Danke für Ihr Interesse und gesegnete Pfingsttage.

Segen (c) Bild von s-ms_1989 auf Pixabay