Allerheiligen - ein Fest der Freundschaft

Impuls für November von P. Bernd Schmitz CO, Aachen

Christus und Menas (c) privat
Christus und Menas
Datum:
So. 30. Okt. 2022
Von:
Ordensbüro

Zu Beginn dieses Monats feiern wir das Allerheiligenfest. - Was Heiligkeit bedeuten kann, hat mir die so genannte "Freundschaftsikone" aus Taizé vor Augen geführt.

Pfr. Bernd Schmitz CO
Pfr. Bernd Schmitz CO

Ich möchte diese Ikone mit Ihnen betrachten:

Zwei Männer sehe ich, einen alten und einen jüngeren. Nah beieinander stehen sie und der Jüngere legt dem andern die Hand auf die Schulter. Das ist Jesus, gut zu erkennen an dem Kreuz in seinem Heiligenschein. Der, dem er freundschaftlich die Hand auf die Schulter legt, heißt Menas - zu erkennen an dem Schriftzug neben ihm. Er soll, der Legende nach, im 3. Jahrhundert als römischer Soldat gedient und sich später als Einsiedler in die Wüste zurückgezogen haben. Andere sagen, er sei Abt eines Klosters in Ägypten gewesen, bevor er 296 den Märtyrertod starb.

 

Auffällig sind die Hände. In der Linken hält Jesus ein dickes, reich verziertes Buch – das Wort Gottes. Er selbst bist ja das lebendige Wort Gottes in Fülle. Menas dagegen hat eine eher unscheinbare, kleine Schriftrolle in seiner linken Hand. Er hat nicht das ganze Wort Gottes, nur einen Teil. Das erinnert daran, was Frère Roger, der Gründer von Taizé, gesagt hat: "Lebe das, was du vom Evangelium verstanden hast. Und wenn es noch so wenig ist. Aber lebe es." - Jeder von uns hat seinen Teil des Evangeliums verstanden. Wenn ich das lebe, was ich verstanden habe, und wenn alle, die etwas verstanden haben und es leben, beieinander bleiben, können wir zusammen den Menschen die Fülle des Evangeliums zeigen. Darum braucht es die Gemeinschaft der Getauften, die Gemeinschaft der Heiligen.

 

Auf anderen Bildern, die Jesus zeigen, hat er die Hand zum Segen erhoben. Hier ist es Menas, der segnet. Weil Jesus an seiner Seite ist und ihm stärkend die Hand auf die Schulter legt, kann nun Menas zum Segen werden. Wenn ich mich in die Ikone hineindenke, an die Stelle von Menas, darf auch ich die Hand Jesu auf meiner Schulter spüren. Er stärkt mir den Rücken. Er geht mit mir durch Dick und Dünn. Mit ihm darf ich für andere zum Segen werden.

 

Doch mir fällt noch etwas auf: Jesus hat keine Füße. Vielleicht liegt es nur daran, dass die Ikone viele hundert Jahre alt und die Farbe an dieser Stelle abgeblättert ist. Aber es mag auch etwas darüber aussagen, dass er mir etwas zutraut.

In einem alten Gebet lese ich:

Christus hat keine Hände, nur unsere Hände,

um seine Arbeit heute zu tun.

Er hat keine Füße, nur unsere Füße,

um Menschen auf seinen Weg zu führen.

Christus hat keine Lippen, nur unser Lippen,

um Menschen von ihm zu erzählen.

Er hat keine Hilfe, nur unser Hilfe,

um Menschen an seine Seite zu bringen.

 

Im Grunde ist das Heiligkeit: Jesus meine Hände und Füße, meine Lippen und meine Gedanken, mein Leben zur Verfügung stellen - ihm in meinem Leben Spielraum geben, damit er in mir sein und durch mich zur Welt kommen kann. Das schaffe ich aber nicht allein, sondern nur in der Gemeinschaft der Getauften, der Kirche.

Aber in dem Bild liegt auch noch eine große Verheißung: Die Freundschaft mit Jesus trägt nicht nur in diesem Leben. Im Sterben wird er auch seine Hand auf meine Schulter legen, mich zum himmlischen Festsaal führen - in die Gemeinschaft der Heiligen - und verkünden: "Das hier, das ist mein Freund, meine Freundin, mein Bruder, meine Schwester!"

 

P. Bernd Schmitz CO