Vortrag von Prof. Dr. Markus Baum (katho Aachen) und Andreas Stahl (Centrum für Antisemitismus- und Rassismusstudien Aachen):„Ein Geheimplan hinter allem. Verschwörungsdenken und Antisemitismus vor dem Hintergrund von Krisenerfahrungen und Kontrollverlusten“
Bedingungen von Krisen- und Kontrollverlusterfahrungen als Ursache von Verschwörungsdenken?
Die mittlerweile abgeebbten ‚Corona-Demonstrationen‘ wurden von Verschwörungsnarrativen sekundiert, die die Konturen ihrer medial vermittelten Bilder immens prägen. Laut dem bevölkerungsrepräsentativen Covid-19-Snapshot-Monitoring brachte ein Viertel der Befragten die Corona-Pandemie in einen Zusammenhang mit Verschwörungen. Doch auch außerhalb des pandemischen Kontextes sind Verschwörungsnarrative in Deutschland verbreitet. 22,9 Prozent der Deutschen glauben, dass geheime Organisationen einen großen Einfluss auf die Gesellschaft ausüben, 20,5 Prozent vermuten, dass Politiker_innen nur Marionetten von verborgenen Mächten seien. Beunruhigender werden diese vielleicht nur harmlos anmutenden Weltdeutungen, wird berücksichtigt, dass sie als „Einstiegsdroge“ für rechtsextremes Gedankengut begriffen werden und eine Vernetzung verschiedener Positionen des politischen Spektrums ermöglichen. Der Antisemitismus stellt dafür ein inhaltliches wie formales Bindeglied dar.
Der Vortrag geht zunächst dem historischen Zusammenhang von Verschwörungsdenken und Antisemitismus anhand konkreter Beispiele nach. Anschließend werden Struktur und Funktion von Verschwörungsnarrativen analysiert. Unter Berücksichtigung sozialwissenschaftlicher Debatten werden Bedingungen von Krisen- und Kontrollverlusterfahrungen erläutert, die als generelle Ursache des Verschwörungsdenken begriffen werden können. Abschließend soll ein Blick in gegenwärtige Krisen aufzeigen, in welcher Form der Zusammenhang von Antisemitismus und Verschwörungsdenken fortbesteht.
Die Referenten:
Markus Baum ist Professor für Soziologie an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen. Die Schwerpunkte seiner Forschung, seiner Lehre und seines Wissenstransfers liegen in den Bereichen der Gesellschaftswissenschaften, der Sozial- und Politischen Philosophie (des 18. bis 21. Jahrhunderts) und der Ästhetischen Theorie. Gegenwärtig beschäftigt er sich insbesondere mit autoritären Reaktionsmustern im Kontext von Krisen-Erfahrungen, den Motiven und Konsequenzen des Digitalisierungsprozesses sowie stadt- und architektursoziologischen Fragen. Er ist Ko-Autor von „Kritik des Antisemitismus in der Gegenwart“ (Nomos 2023).
Berufliche Homepage: https://katho-nrw.de/baum-markus-dr-phil
Andreas Stahl leitet die Beratungsstelle gegen Antisemitismus an Hochschulen in Nordrhein-Westfalen (RIAS NRW). Daneben arbeitet er als wissenschaftliche Hilfskraft im Projekt „Autoritarismus ins Aus stellen“ am Centrum für Antisemitismus- und Rassismusstudien (CARS) in Aachen. Er ist seit vielen Jahren in der politischen Bildung tätig und Mitherausgeber der Sammelbände „Konformistische Rebellen“ (2020), „Probleme des Antirassismus“ (2022), „Subjekt und Befreiung“ (2022), „Erinnern als höchste Form des Vergessens?“ (2023) sowie „Gesichter des politischen Islam“ (2023).