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Zweiter Adventsonntag C // Zum Evangelium

Datum:
Fr. 3. Dez. 2021
Von:
Annette Jantzen

Im 15. Jahr der Regierung des Kaisers Tiberius, als Pontius Pilatus Statthalter von Judäa war und Herodes Fürst von Galiläa, sein Bruder Philippus aber Fürst der Landschaft Ituräa und Trachonitis und Lysanias Fürst von Abilene, unter den Hohenpriestern Hannas und Kajaphas, da erging das Wort Gottes an Johannes, den Sohn des Zacharias und der Elisabet, in der Wildnis. Und er ging in alle umliegenden Gebiete des Jordans und machte dort ein Tauchbad bekannt, ein Tauchbad der Umkehr, um von den Sünden loszukommen. Wie im Buch der Sprüche des Propheten Jesaja geschrieben steht:
»Eine Stimme ruft in der Wildnis: Bereitet den Weg der Lebendigen, machet ihre Pfade gerade! Jede Schlucht wird aufgefüllt, jeder Berg und Hügel wird niedrig, krumme Wege werden begradigt und holprige Wege werden geebnet werden! Und alle werden das Rettende Gottes sehen!«

Lukasevangelium, Kapitel 3, Verse 1-6

Die Jahre: Werden nach Männern und ihrer Herrschaftszeit gezählt. 
Die religiös Handelnden: Sind Männer. Hannas, Kajaphas, und wenn nicht gerade wie hier die "Bibel in gerechter Sprache" herangezogen wird, dann wird auch von Johannes ausschließlich der Vater benannt, Zacharias.
Und Johannes: Kündigt als Prophet den Messias an, als der sich Jesus von Nazareth erweist, Prophet, Menschensohn, Sohn Gottes-des-Vaters. (Ihn in den Worten und Gesten einer Frau zu erkennen, gilt in der katholischen Kirche immer noch als unmöglich.) 

So haben es Generationen von Gläubigen gelernt, so gehört dieser Vers mit zu den bekanntesten der Bibel: Eine Stimme ruft in der Wüste: "Bereitet den Weg des HERRN!" Oder aber: Eine Stimme ruft: "In der Wüste bereitet den Weg des HERRN!" Das Hebräische, Sprache des prophetischen Textes, der hier aufgegriffen wird, gibt beides her. Denn die Bibel ist vieles, aber nicht einfach, und eindeutig oft eben auch nicht.

Ist in dieser Botschaft Platz für Frauen? Es wäre nicht redlich, hier mit einem bedingungslosen "Ja" zu antworten. Man kann diese Texte so lesen - und es wurde und wird getan -, dass Frauen darin ihren Platz nur als "Gemeinte zweiter Klasse" haben: ungehört, ungenannt, ungesehen - die mitgemeinten Auch-Menschen, die nie so gottgleich und so gottgehört sind wie die Männer, deren Stimmen durch die Texte klingen.

Zum Glück ist Gott-die-Lebendige größer. Denn wem da der Weg geebnet werden soll, wer sich in dieser schwierigen Umgebung erfahrbar machen will, wer sich darauf einlässt, entweder ein in der Stille verhallendes Wort zu sein (eine Stimme ruft in der Wüste) oder sich in unwegsamem Land finden lassen will (eine Stimme ruft: In der Wüste) - diese Gottheit ist größer. Engherzige Diskriminierung hat in ihr keinen Platz.

Wessen Ankunft da erwartet wird, das ist kein Herrgott, sondern der Abglanz einer Erfahrung. Gott kommt ins Wort, wo Menschen ihre Erfahrungen teilen: Erfahrungen dessen, was größer, tiefer und lebendiger ist als unser Leben zwischen Aufgang und Untergang. Eine Stimme haben wir gehört, eine Gestalt haben wir nicht gesehen (Dtn 4,12). Und wo wir eine Stimme gehört haben, da hat sie sich nicht mit Namen oder gar Titelbenannt, sondern mit einer fundamentalen Lebendigkeit: Ich werde da sein. Wenn sie spricht, dann mit Zuwendung zu den Nicht-Privilegierten, parteilich und entschieden an der Seite derer, die unter die Räder der Geschichte und der ungerechten Herrscher geraten sind. Sie klingt durch in der Stimme des Jesus von Nazareth - nicht ausschließlich, aber bei ihm hörbar mit klarem, schönen Klang, mit Worten, die diejenigen zuerst meinen, die sonst nur die Auch-Gemeinten sind: Teilt euer Brot. Grenzt nicht aus. Lebt. Haltet nichts fest. Ich werde da sein. 

Dieses Lebenswort "Ich werde da sein" bahnt sich seinen Weg durch die Wüste. In der Steinwüste Judäas findet man heute noch Muscheln, denn in Urzeiten war hier einmal ein Meer. Und im Text der Bibel, im unhörbaren Gottesnamen findet man heute noch eine Gegenwart, die alle Menschen, alles Leben gleichermaßen meint und sieht, umgibt und trägt.  

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