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Neujahr - Hochfest der Prophetin Maria, Mutter Jesu // zur zweiten Lesung

Datum:
Fr. 30. Dez. 2022
Von:
Annette Jantzen

"Als die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und dem Gesetz unterstellt, damit er die freikaufe, die unter dem Gesetz stehen, und damit wir die Sohnschaft erlangen. Weil ihr aber Söhne seid, sandte Gott den Geist seines Sohnes in unsere Herzen, den Geist, der ruft: Abba, Vater. Daher bist du nicht mehr Sklave, sondern Sohn; bist du aber Sohn, dann auch Erbe, Erbe durch Gott." 

Diese zweite Lesung aus dem Brief des Paulus an die Gemeinden in Galatien macht einmal mehr deutlich, wie wichtig Übersetzungen sind. Es ist schwierig, zuzuhören, wenn einer Übersetzung so gar kein Problembewusstsein für Diskriminierung und Ausschluss anzuhören ist. Diese Lesung sagt in dieser Übersetzung allen Frauen im Gottesdienst: Es gab hier nur Platz für eine einzige Frau. Deren Job war es, den Herrn zu gebären. Alles andere eine Sache von Männern und zwischen Männern. 

Mit Paulus würde ich ohnehin gerne einmal diskutieren, über sein Frauenbild und darüber, warum er Maria als Auferstehungszeugin so einfach übergeht. In den Streit mit den Gemeinden in Galatien, die vom Heidentum zum Glauben an Jesus gekommen waren und jetzt im Begriff standen, nach der Taufe auch die Tora zu übernehmen, mische ich mich nicht ein. Aber ich würde Paulus gerne fragen, wie sehr er denn eigentlich geprägt ist von seiner Tradition, in der ein geläufiges Gebet eben auch lautete: Gepriesen sei Gott, der mich nicht als Heide, nicht als Sklave, nicht als Frau erschaffen hat. Heute gibt es einige jüdische Strömungen, die hier positiv formulieren: der mich als Jude, frei, nach seinem Bild erschaffen hat. In anderen Strömungen beten Frauen im letzten Teil "nach seinem Willen erschaffen hat", anstatt diesen Satz ganz wegzulassen. Das Gebet klingt durch, wenn Paulus zuvor in diesem Brief klarstellt: Hier ist nicht mehr jüdisch oder heidnisch, frei oder versklavt, männlich oder weiblich (Gal 3,18). Aber so von Bedeutung, dass er wirklich intensiv darauf eingeht, ist ihm hier nur der erste aufgehobene Gegensatz, der zwischen jüdisch und heidnisch. Er widerspricht weder der Sklaverei noch dem Patriarchat in einer Weise, dass die Gemeinden hier dauerhaft alternative Ordnungen etablieren müssten. Er sendet den Sklaven Onesimus zurück zu Philemon, und er trägt den Frauen auf, sich ihren Männern unterzuordnen. Den deutlichen Widerspruch der Frauen, die sich durch Glauben und Taufe anders befreit wissen, bügelt er ab. Vielleicht ist an dieser Stelle besonders schade, dass Paulus Jesus von Nazareth und dessen Umgang mit Frauen nicht hat erleben können. Zu Paulus' Verteidigung lässt sich sagen, dass er die Frauen, die schon Gemeindeverantwortung tragen, akzeptiert. Ein Feminist im Sinne, dass er aktiv für Gleichberechtigung eintritt, ist er aber ganz sicher nicht.

Worüber Paulus vermutlich mit uns heute diskutieren wollte: die Dreifaltigkeitstheologie. Diese sollte man nicht in Paulus hineinlesen; Paulus unterscheidet Christus von Gott und scheint eher der Richtung anzugehören, die Christus als dauerhaft Gott untergeordnet betrachtet, so z.B. im 15. Kapitel der ersten Briefes an die Gemeinde in Korinth. Den Geist kennt Paulus noch nicht als Person der Dreifaltigkeit; darum spricht er hier auch vom Geist des Sohnes, nicht Gottes. 

An Paulus merkt man hier gut, dass die Grenzen der Sprache oft die Grenzen des Denkbaren bestimmen; gerade darum ist gendern so wichtig. Als Übersetzer*in hat man hier eine Verantwortung." Pater" im Griechischen (und Lateinischen) kann neben dem Sinn  "biologischer Vater", der männlich gegendert ist, auch für Herkunft verwendet werden, gerade im Plural. Dann geht es aber um Abstammung, Vormundschaft oder Verantwortung. Darum kann man an solchen Stellen gut mit "Eltern" oder mit "Vater und Mutter" übertragen. Vergleichbar ist es mit dem griechischen Wort "hyios", "Sohn". Bei diesem kann es auch um ein bestimmtes Kind gehen, oder aber um ein Abstammungsverhältnis. Die "Söhne Israels" schließen selbstverständlich die Frauen ein, was man leicht übertragen kann mit "Kindern Israels". Gerade wenn die Zielsprache der Übersetzung etwas differenzieren kann, was die zu übersetzende Sprache nicht kann, dann ist es Pflicht, genau zu betrachten, welcher Aspekt eines mehrdeutigen Wortes die Aussageabsicht am besten trifft.

Hier ist nun zuerst auf Jesus Bezug genommen, der als Mensch-von-Gott natürlich als Sohn bezeichnet werden kann, weil männlichen Geschlechts. Hier kommt es aber gerade nicht auf Jesu Geschlecht, sondern auf seine Abstammung an. Daher wäre eine Übersetzung mit "Gotteskind" oder "Mensch von Gott" angemessener, auch um herauszustellen, dass das Evangelium eben an kein Geschlecht gebunden ist. 

Und noch mehr gilt das für die Getauften. Paulus argumentiert hier, dass sie durch Jesus in ein Adoptionsverhältnis mit Gott aufgenommen wurden. Es geht nicht um ihr Geschlecht, sondern um ihr Gottesverhältnis. Die Bibel in gerechter Sprache übersetzt darum genau wie die revidierte Lutherübersetzung mit "Kindschaft":

"Als aber die Fülle der Zeit kam, da sandte Gott das Gotteskind aus: geboren aus einer Frau und geboren unter die gesetzte Ordnung. Die unter der Gesetzesordnung leben, sollte es freikaufen, damit wir als Kinder adoptiert würden. Weil ihr aber Kinder seid, hat Gott die Geistkraft des Gotteskindes in unsere Herzen ausgesandt, die mit lauter Stimme ruft: Abba! Vater! Du bist also nicht mehr versklavt, sondern Kind; wenn aber Kind, dann auch erbberechtigt durch Gott."

(Brief an die Gemeiden in Galatien, Kapitel 4, Verse 4-7)

Es bleibt noch viel zu tun, damit und bis Religion nicht mehr als Warmhalteplatte für das Patriarchat funktioniert.

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