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5. Sonntag der Osterzeit A // zur Lesung aus der Apostelgeschichte

Datum:
Fr. 5. Mai 2023
Von:
Annette Jantzen

Als in jener Zeit die Zahl der Schülerinnen und Schüler zunahm, wurden die griechisch sprechenden unwillig gegen die aramäisch sprechenden, weil ihre Witwen bei der täglichen Unterstützung vernachlässigt wurden. Da riefen die Zwölf die Versammlung der Schüler und Schülerinnen zusammen und sagten: »Es ist nicht angemessen, dass wir das Wort Gottes vernachlässigen und für die Mahlzeiten sorgen. Seht euch, liebe Schwestern und Brüder, nach sieben Männern unter euch um, die einen guten Ruf haben, geistvoll und klug sind. Die wollen wir für diese Aufgabe einsetzen, uns selbst jedoch dem Gebet und der Wortverkündigung widmen.« Dieser Vorschlag gefiel der gesamten Versammlung. Und sie wählten sich Stephanus aus, einen ganz und gar zuverlässigen und von heiliger Geistkraft erfüllten Menschen, sowie Philippus, Prochorus, Nikanor, Timon, Parmenas und Nikolaus, einen Proselyten aus Antiochia; 6die stellten sie vor die Apostel: Sie beteten und legten ihnen die Hände auf. Und Gottes Botschaft breitete sich aus, so dass die Anzahl der Schülerinnen und Schüler in Jerusalem stark zunahm. Auch eine große Menge aus priesterlichen Familien folgte dieser Glaubensweise.

(Apostelgeschichte, Kapitel 6, Verse 1-7)

Das muss ganz schön gescheppert haben in der Urgemeinde damals, als die kulturellen Gräben aufbrachen zwischen den griechischsprachigen und den aramäischsprachigen Jesusgläubigen. Die griechischsprachigen, ohnehin fremd in der Gesellschaft, sehen sich benachteiligt, beziehungsweise ihre Witwen. Sie würden übergangen bei der Fürsorge, die alle eigentlich untereinander üben wollen. Lukas, harmoniebedacht wie er eben ist, stellt das dann als eine begeisternde Erfahrung dar, dass eben die Zuständigkeiten aufgeteilt werden: Griechischsprachige Männer sollen für griechischsprachige Witwen zuständig sein. Konflikte zu benennen ist nicht so Lukas’ Ding.

Und die Männer sollen sich dann kümmern, einer allerdings wird kurz darauf zum ersten Märtyrer der jungen Jesusbewegung, nämlich Stephanus. Sieben Männer werden mit Namen genannt, und darüber, dass das auch oft ein Argument ist, dass ja schon immer nur Männer mit Ämtern betraut wurden in der beginnenden Kirche, wird dann doch übersehen, dass diese Namen auch sagen: Das sind mehr als "die Zwölf". Bzw. "die Zwölf" stehen für eine Ganzheit, das neue Volk Israel, es ist eine theologische Größe, und erst die vereinfachende Geschichtsschreibung hat unter der Schwerkraft des Patriarchats dann vieles gleichgesetzt, was nicht gleich war: Jünger, Apostel, Zwölf... Die "Zwölf" werden aufgerufen, wenn es um wichtige Übergänge geht: Von Ostern zu Himmelfahrt und in die Welt hinaus - denn alle diese Übergänge sollen in der Tradition der Berufung Israel stehen. (Mehr dazu hier: Wer ist eigentlich ein Apostel?) Über diesen Vereinfachungen geht verloren, dass der männliche Plural im Griechischen die Frauen theoretisch genauso mitmeinen soll wie es im Deutschen vermeintlich mal funktioniert hat. Also: Jünger sind Jüngerinnen und Jünger, bzw. Schülerinnen und Schüler, und auch Apostelinnen gab es, das heißt nämlich einfach nur "Gesandte" und ist nicht das gleiche wie "die Zwölf", sonst wäre Paulus auch kein Apostel gewesen. Sieben griechischsprachige Männer also werden benannt, weil es offensichtlich nicht möglich war, dass unterschiedslos über kulturelle Gräben hinweg alle für alle sorgten.

Und die Frauen? Hier kommen allein die griechischsprachigen Witwen vor. Also, es gab sie. Lukas, der Frauen außergewöhnlich oft erwähnt, er geht dann doch nicht so weit, ihre Traditionen zu würdigen. Maria von Magdala, Maria - die Mutter Jesu, Susanna, Johanna - die Frau des Chuzas, Tabitha, Rhode, Lydia, Damris, Priszilla: Ihre Geschichten kommen nur punktuell einmal an die Oberfläche der Erzählung. Wenn Männer schreiben, schreiben sie über Männer, und wenn Männer das nachher deuten, kommt es ihnen gelegen, als sei es Gottes Ordnung so - obwohl Jesus von Nazareth da so gar keine Unterschiede gemacht hatte zwischen Männern und Frauen.  

Die Frauengeschichten sind noch zu erzählen. Wie gut, dass es die Evangelien gibt - ohne die Frauen keine Botschaft von der Auferstehung. Die Osterzeit, in der jeden Sonntag aus der Apostelgeschichte gelesen wird, ist eine gute Gelegenheit, die Frauengeschichten zu bergen, die auch noch zu erzählen sind, von früher, von heute, für morgen.

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