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3. Fastensonntag C // zur ersten Lesung

Datum:
Fr. 18. März 2022
Von:
Annette Jantzen

Die erste Sonntagslesung erzählt von Mose am brennenden Dornbusch: Hier gibt Gott ihren*seinen Namen preis. Beziehungsweise: Hier erklärt ein Wortspiel die Bedeutung des Gottesnamens - und es sollte uns zu denken geben, dass das Heilige mit einem Spiel erklärt wird, nicht mit einem Dogma. Leichtfüßig, nicht mit der unerschrockenen Gottprotzigkeit, die alles weiß und nichts mehr fragt.

"Wie heißt du?", fragt Mose, und Gott antwortet: "Ich bin, als wer ich mich erweisen werde." Diese Übersetzung ist eine sprachliche Krücke, das Hebräische ist hier eben spielerischer als das Deutsche, knapper und schon vom Vokabular her farbig und anspielungsreich - so scheint das Wort "Leben" im Verb "sein" noch durch, und die Laute klingen nach dem fließenden Atem, der alle lebendigen Wesen verbindet.

Diese Stelle erklärt den Sinn des unaussprechlichen Gottesnamens, den die "Einheitsübersetzung durchgängig mit HERR überträgt [...] [womit sie] die sprachliche Selbstoffenbarung Gottes aus dem biblischen Text geradezu tilgt. Ein einziges Mal kommt der Gottesname in seiner annähernden Bedeutung noch vor, und zwar in einer Fußnote zu Ex 3,14. Der entsprechende Bibelvers [...] wird mit einem im Hebräischen nicht vorhandenen Maskulinum übersetzt: 'Ich bin, der ich bin.' Im Hebräischen ist das Relativpronomen geschlechtlich aber nicht bestimmt, die gegengeschlechtliche Übersetzung "Ich bin, die ich bin" wäre genauso richtig wie eine Übersetzung, die geschlechtliche Festlegungen vermeidet: 'Ich bin, was ich bin.' Im zweiten Teil des Verses wird dann ein männlicher Artikel ergänzt, der sich im hebräischen Text nicht findet: Aus 'Ich-bin hat mich gesandt' wird 'Der Ich-bin hat mich gesandt. Es sind gerade solche vermeintlichen Kleinigkeiten, die die Gottesrede einengen und dem biblischen Text seine Weite nehmen, die angesichts seiner Entstehung in einem patriarchalen Umfeld eigentlich umso bemerkenswerter und hervorhebenswerter ist. Der Zusammenhang von 'Ich-bin' mit dem Gottesnamen geht dabei verloren; was dieses Sprachspiel mit der Gotteszeichnung HERR zu tun hat, wird auch in der Fußnote nicht offengelegt und muss Nicht-Fachleuten unverständlich bleiben. So klingt dann auch die Zusage 'Ich bin' nicht mehr bei jeder Nennung des Gottesnamens mit, stattdessen dominiert ein männliches Herrscherbild den biblischen Text.

Bei der Vorstellung der neuen Einheitsübersetzung wurde als Begründung für diese Übertragung auf die jüdische Praxis verwiesen, beim Lesen des Gottesnamens diesen nicht auszusprechen, sondern 'Adonaj' zu lesen, auf Deutsch 'Herr'. Diese Weise der Versprachlichung wird dort aber nicht am verschriftlichen Text selbst vorgenommen, sondern erst beim Lesen aktualisiert. Der unaussprechliche Gottesname bleibt als sprachliches Einfallstor der Transzendenz bestehen. Wer den Text liest, kann 'Adonaj' lesen, muss das aber nicht, sondern kann auch zu anderen sprachlichen Alternativen greifen. Zudem hat 'Adonaj' keine Entsprechung in der Alltagssprache, sodass eine Verwechslung oder Identifikation mit menschlichen Herrschaftsweisen weniger naheliegend ist.  [Mit dem] [...] monotone[n] HERR der Einheitsübersetzung geht eine Verflachung des biblischen Gottesbildes einher, die angesichts des hohen ehrenamtlichen Einsatzes der Übersetzer*innen für die neue Einheitsübersetzung besonders zu bedauern ist." (aus: Annette Jantzen, Gotteswort, weiblich. Wie heute zu Gott sprechen? Gebete, Psalmen und Lieder, Herder-Verlag, Freiburg 2022, 21-23.)

HERR spricht von Herrschaft, von Macht, Herrlichkeit und Heiligkeit. Alles richtig in Bezug auf Gott. Aber da wäre noch mehr. Lebendigkeit, verzehrend wie das Feuer, wie die Liebe, die trifft wie ein Blitz, und Mose steht barfuß, verletzlich, ehrfürchtig auf dem Wüstensand, wo auf einmal alles in einem Sinn zusammenfindet: die Wüste, das Feuer, die Stimme, die Heiligkeit des Lebens. Gott ist soviel mehr als HERR.

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