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3. Fastensonntag B // Zur zweiten Lesung

Datum:
Sa. 6. März 2021
Von:
Annette Jantzen

Zur Lesung aus dem ersten Korinterbrief, Kapitel 1:

Wir verkünden Christus, den Gekreuzigten, schreibt Paulus an die Gemeinde in Korinth.

Christus, der gekreuzigte Messias: das ist der Mensch, der von Männern hingerichtet wurde, die sich in ihrer Macht bedroht sahen. Die Todesstrafe am Kreuz, die übrigens auch über Frauen verhängt werden konnte, bedeutete den ehrlosen Tod – und unterstrich damit, dass die so hingerichteten Menschen keine der Privilegien genossen, die in dieser patriarchalen Gesellschaft freien Männern zukamen.

Männlichkeit wurde in der Antike erworben, vermittelt, demonstriert, in Frage gestellt, verteidigt, zu- und abgesprochen. Kurz: Sie war auch damals eine soziale Wirklichkeit, und man konnte sie verlieren. Gekreuzigt konnte nur werden, wem ohnehin weder Freiheit noch Ehre zugesprochen wurde. Gekreuzigte Männer verloren dann zusätzlich nicht nur ihr Leben, sondern auch ihre Männlichkeit. Das ist die ultimative Demütigung und Auslöschung, und ausgerechnet hier zeigt sich Gottes überwindende, befreiende Kraft. Diese Kraft folgt einer anderen Logik, nämlich der Logik der Liebe und des Heilwerdens. Darum ist es ein Geheimnis des Glaubens, dass entgegen dem Augenschein der Foltertod, die krasseste Form der Unterwerfung, eben nicht das letzte Wort hat.

Wir verkünden Christus, den Gekreuzigten, das heißt: Hier zeigt sich Gott auf nicht-männliche Weise. Jesus Christus hat als Gekreuzigter seine Männlichkeit verloren, darum ist diese Botschaft „unklug“ und „schwach“, beides Eigenschaften, die Frauen zugeschrieben wurden. Gott übersteigt diese Kategorien. Wir verkünden Christus, den gekreuzigten, das heißt darum auch: Wir verkünden das Ende ungerechter, patriarchaler Herrschaftsstrukturen und Unterwerfungsbeziehungen. Sie sind nicht im Sinne Gottes.

Ausgerechnet dieses Zeichen Gottes, dass die befreiende Zuwendung Gottes auch die Sünde der Gewalt und Unterdrückung überwindet, wurde aber in die patriarchale Weltanschauung integriert: Das Bild Christi wurde zum Bild des Herrschers, dessen Herrschaft die menschliche Gesellschaftsordnung von Über- und Unterordnung bestätigt und aufrechterhält. Schließlich wurde mit der Betonung des männlichen Geschlechts Jesu auch noch speziell männliche Herrschaft und die Forderung weiblicher Unterordnung begründet, wurde die Unterdrückung und der Ausschluss von Frauen gerechtfertigt. „Aber Jesus war nun mal ein Mann“, heißt es oft an dieser Stelle. Dem ist zu antworten: Ja, zu Jesu historischer Identität gehört das, aber als endgültiges Zeichen von Gottes Erlösungswillen kommt dem Geschlecht Jesu nicht mehr Bedeutung zu als sein Beruf, seine Muttersprache oder seine kleinstädtische Herkunft. Wäre das anders, dann müsste man in der Folge anerkennen, dass Frauen bei der erlösenden Christusbotschaft nicht zwangsläufig mitgemeint sind.

Wir verkünden Christus, den Gekreuzigten: Das sollte eine dauernde Mahnung sein, um patriarchale Gottesbilder und ein männlichkeitsfixiertes Menschenbild zu durchkreuzen.

Wir verkünden Christus, den Gekreuzigten. Nicht Christus, den Mann.

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