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28. Sonntag im Jahreskreis // Zum Evangelium

Datum:
Fr. 9. Okt. 2020
Von:
Annette Jantzen

Sprechen über Gott

Zum Sonntagsevangelium aus Matthäus 22, 1-14

Sprechen über Gott hat eine lange, männlich geprägte Tradition. „Darf“ man Gott Mutter nennen? „Darf“ man Göttin sagen? „Darf“ man Gott als „Sie“ bezeichnen, als Schwester, als Schöpferin? Ich erlebe es oft, dass Menschen da Skrupel haben, und ich kenne die selber auch. Es fühlt sich auf den ersten Versuch nach einer Grenzüberschreitung an und braucht einen Lern- und Aneignungsprozess. Gott ist Vater, das scheint das angemessenste Bild zu sein. (Interessanterweise fällt das Wort „Abba“, Vater, aber erst im Johannesevangelium sehr häufig, dem am spätestens niedergeschriebenen Evangelium im neuen Testament. Jesu Sprechen von Gott war vielfältig und farbig, und die Konzentration auf das Vater-Bild ist eine Entwicklung der frühen Kirche.)

Darf man weiblich von Gott sprechen, oder in Naturbildern? Es ist für mich gerade das Sprechen Jesu von Gott als zornigem Köni, das dazu ermutigt, von Gott in Bildern zu sprechen, die keine starke Tradition haben und ungewohnt, vielleicht sogar falsch wirken. Denn Jesus hat keine Scheu, in begrenzten Bildern von Gott zu sprechen, im Bewusstsein, dass jedes Sprechen von Gott nur einen kleinen Teil von Gottes Wirklichkeit trifft. Niemand von uns nimmt an, dass Gott ausschließlich ein strafender König ist. Aber Gottes Wirklichkeit ist mit diesen Bildern eben auch beschreibbar, der warnende Vergleich gehört zum Sprechen über Gott. Aber das Bild stellt Gott nicht vollständig dar, und es entspricht den Bildern der Zeit in ihrer patriarchalen Engführung. Zumindest in unserer westeuropäischen Alltagserfahrung  kommen Könige und Alleinherrscher nicht vor. Wir erfahren uns nicht als Untertanen, und darum kann „Erlösung“ uns auch anderes bedeuten als die Übersteigerung männlicher Attribute wie Ehre, Macht, Ruhm und Herrschaft. 

Und trotzdem ist der Text in seiner Begrenztheit einer, der uns eine Wirklichkeit Gottes ausmalt. Und weil er das ist, und weil sich unsere Lebenswirklichkeit so von der der Hörer*innen damals unterscheidet, darum können wir weitergehen im Sprechen über Gott, und damit mehr von Gott erschließen, auch wenn alles, was wir von Gott sagen, immer mehr an Gottes Wirklichkeit vorbeigeht als dass es sie trifft.

Darum können wir von Gottes Wirklichkeit auch als von schöpferischer Gegenwart sprechen, im Bild der Geburt (wie es schon im Buch Jesaja geschieht), im Bild der stillenden Mutter, in Bildern der Schwester und der Freundin, der Architektin, der Löwenmutter, im Bild der Himmelsfrau,  der Weisheit, im Bild des Feuers und des Wassers, des Atem, der Wolke und des Felsens und im Bild des Lebens selbst beschreiben und besser noch besingen (und alle diese Bilder haben übrigens biblische Ursprünge). Ja, man „darf“ Gott als Mutter benennen, als Göttin, als Schöpferin. Das sind genauso passende und unpassende Bilder wie alles Sprechen über Gott. Wir können aber auch über diese Bilder hinausgehen, kreativ und frei wie Jesus im Sprechen über Gott, um uns dem Gottesgeheimnis immer weiter zu nähern, und anfangen zu erzählen: Mit Gott und Gottes Wirklichkeit ist es wie...

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