(c) Photo by Arthur Poulin on unsplash

18. Sonntag im Jahreskreis // Erste Lesung

Datum:
Fr. 31. Juli 2020
Von:
Annette Jantzen

He, alle ihr Durstigen, kommt zum Wasser! Und wer kein Geld hat, kommt, kauft und esst! Kommt und kauft ohne Geld und ohne Tauschwaren Wein und Milch!

Warum wägt ihr Geldstücke für was kein Brot ist, und euren Arbeitslohn für was nicht satt macht? Hört, hört mir gut zu, und ihr werdet Gutes essen, und eure Seele wird sich laben an Nahrhaftem.

Neigt euer Ohr und kommt zu mir, hört, und eure Seele wird leben! Und ich werde feierlich einen Bund-für-immer mit euch schließen, treues Wohlwollen für David, das unverbrüchlich ist.

Jesaja 55,1-3

Wer wird da eingeladen, sich satt zu essen, wie von einer Händlerin an ihrem Marktstand? Wohl nicht die, die in den Stadtvierteln der Wohlhabenden wohnen und die Arbeitskräfte haben, die für sie sorgen: einkaufen, kochen und einschenken, die niemals selber auf den Markt gehen würden. Wenn die Reichen auf dem Markt sind, dann kaufen sie die Luxusgüter des Fernhandels: Seide, Schmuck, Keramik, nicht Brot oder Milch.

Es werden eingeladen: Die in der Stadt leben oder von ihr abhängig sind. Die keinen eigenen Zugang zu Wasser und Brot haben. Die abhängig arbeiten und sich nicht selbst versorgen können. Die sehr genau wissen, wie hart ein Geldstück erarbeitet ist. Die auf den Markt kommen mit dem, was sie selbst anzubieten haben: Getreide, Olivenöl, Feigen. Die kein Geld haben und nicht genug Tauschwaren, niemals Geld oder gar Luxus. Die nicht für sich einkaufen, sondern für ihre Herrinnen und Herren. Die abgespeist werden mit schlechtem Brot und mit Essen, bei dem an allem gespart wurde, das nicht sattmachen kann. Die einen unsicheren Status haben: Männer und Frauen ohne Besitz, Sklavinnen und Sklaven, Tagelöhnerinnen und Tagelöhner, Bettlerinnen und Bettler, und bei allen diesen Aufzählungen sind die Frauen immer noch ein Stück weniger abgesichert als die Männer. Königliche Würde haben sie, königlich so wie die bessere Gesellschaft, die von ihren Steuern und Abgaben, von ihrer Arbeitskraft lebt. Sie sollen die Sicherheit von Menschen haben, für die gesorgt ist. Eingeladen zu mehr als Wasser und Brot, eingeladen auch zum Genuss, zu mehr als zum Nur-Notwendigen.

Die Seele soll sich laben an Nahrhaftem, an reichem Fett: Es wäre ein verarmtes Verständnis, das rein geistig zu verstehen. Sattwerden an Gott ist mehr als ein frommer Gedanke. Wenn Gott wie die Markthändlerin und doch so anders das Nötige zum Leben anbietet, dann heißt das auch: Füreinander sorgen soll das Leitbild sein, nicht Gewinn. Man kann die Debatte um Care-Arbeit und Kapitalismus, um weibliche Armut und die Frage, was wirklich nötig ist für eine Gesellschaft, als ein Echo dieses Textes hören.

Und dazu hören wir dann heute die Geschichte von Jesus, der die Vielen satt machte: Aufgebrochen, weil alles zu viel war, als Johannes der Täufer ermordet worden war und unübersehbar geworden war, wie gefährlich er lebte. Einfach wegfahren und alleine sein, den Kopf freikriegen und dann sind da doch diese vielen, die so viel brauchen: Zuspruch und Hoffnung, und Brot. Vom Zuspruch alleine wird niemand satt. Und auch hier: Es kommen die, die sonst nicht satt werden, und es gibt keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen, nicht einmal zwischen Erwachsenen und Kindern. Alle, die bei Festmählern der Oberschicht nicht dabei sind, hier sind sie eingeladen, unterschiedslos. Wir verdecken das, wenn wir den eingefügten Überschriften der Bibelübersetzungen folgen und von der "Speisung der 5000" sprechen: 5000 Männer, nicht eingerechnet die Frauen und Kinder, heißt es, also ist es eine Speisung der 15000, mindestens, oder besser: eine Speisung der unübersehbar Vielen. Hört, hört gut hin, und ihr werdet leben.